„Wir machen das Beste daraus“: Selsinger Oberschule passt sich der Lage in allen Bereichen an
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Schüler, Lehrer, Hausmeister oder FSJ-ler der Heinrich-Behnken-Oberschule in Selsingen? Bei einem Treffen unter freiem Himmel und mit dem nötigen Abstand auf dem Schulhof schildern Betroffeneihre Eindrücke.
der Klasse mit Abstand zu sitzen.“ Drei Monate hatte der Zwölfjährige von zu Hause aus Schulaufgaben zu erledigen und ist froh, dass er nun wieder in die Schule gehen darf, wenn auch in Wechselschicht: „Man sieht seine Freunde wieder.“ An die neue Situation müsse man sich nun erstmal gewöhnen.
Seine Klassenkameradin Mariella Kostov aus Selsingen wird nächste Woche erstmals nach drei Monaten wieder in den Präsenzunterricht gehen. Darauf freut sie sich, ebenso auf den Kontakt mit Freunden. „Zu Hause wird’s echt langweilig.“
Auch wenn man digital Kontakt zur Schule habe: Im Präsenzunterricht könne man gleich den Lehrer fragen und müsse nicht warten, bis eine Antwort zurückkommt, sieht sie einen weiteren Vorteil, den sie ab Montag wieder genießen darf.
Hausmeister Marko Blank sieht die Corona-Zeit aus beruflicher Sicht ganz anders: „Das war für uns wie Sommerferien“, denn etliche Aufgaben konnten erledigt und zum Teil schon vorgezogen werden, ohne die sonst übliche Rücksicht auf den Schulbetrieb nehmen zu müssen. Sei es die Grundreinigung, seien es Pflasterarbeiten etwa beim Treppenaufgang zur Brücke, sei es der Einbau von Türen, sei es das Aufstellen eines Zauns. Vieles habe abgearbeitet werden können. Und ja: „Das Gras wächst weiter“, sagt Marko Blank und lacht. Irgendwo gebe es schließlich immer etwas zu reparieren.
Abstand zu halten sei in dem Job indes nicht immer einfach, ob beim Schleppen von Möbeln oder schlicht bei der Fahrt im Zweisitzer. Alles in allem erlebe er die Zeit als „ein bisschen ungewohnt“, zumal nach der Corona- Pause jeweils nur die Hälfte der Schüler vor Ort sei. Die Bilanz aus Sicht der Hausmeister: „Für uns war es nicht so schlecht.“
Derweil absolvieren Mattis Müller aus Meinstedt und Nanji-Aylin Harz aus Bremervörde ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Heinrich-Behnken-Oberschule. Anfangs unter regulären, seit Mitte März unter völlig neuen Umständen. Denn die Kontakte seien reduziert, Aufgaben wie in der nicht mehr stattfindenden offenen Lerngruppe (OLG) mit Ballspielen sind ganz entfallen. Stattdessen gelte es andere Tätigkeiten zu erledigen, etwa Pausenaufsichten, schichtweise Notbetreuung oder das Auffrischen der Bibliothek, so der 19-Jährige. Alte Bücher auszusortieren, die vorhandenen neu nach Themen zu sortieren und die Bücherei insgesamt dekorativ umzugestalten sind einige der Aufgaben, die er mit seiner Mitstreiterin erledigt.
Vor der Corona-Lage jedoch hatten beide die Lehrkräfte unterstützen und viele Erfahrungen sammeln können, etwa im Vertretungsunterricht, wie Nanji-Aylin Harz berichtet. Sie fühlt sich mittendrin: „Einen besseren Eindruck kann man nicht bekommen: Man kriegt nicht nur die schönen Sachen mit, sondern weiß, wie es läuft und kann sich selber ein Urteil bilden“, sagt sie über den Lehrerberuf. Sie hat die OLG Presse betreut und eine Sonderausgabe für die 5. und 6. Klassen produziert.
Anders als gedacht
Beide FSJ-ler hatten ursprünglich erwogen, Pädagoge werden zu wollen. „Ich bin vom Lehrerjob weggekommen. Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte“, bilanziert Mattis Müller. „Die Präsenz vor der Klasse, das freie Sprechen, liegt mir nicht so“, bekennt der 19-Jährige. Dennoch sei er froh, das FSJ absolviert zu haben. Beruflich und privat habe er sich weiterentwickelt. Er werde eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvieren.
Nanji-Aylin Harz hat andere Gründe für ihre Meinungsänderung: Als FSJ-lerin sei sie oft näher an den Schülern als Pädagogen. „Diese Rolle hat mir besser gefallen“ als jene als Autorität. Sie werde „Soziale Arbeit“ studieren. Beigetragen habe dazu auch die Chance, Einblicke in die Sozialarbeit an der Schule zu bekommen. „Das hat sehr viel Spaß gemacht und zur Entscheidung beigetragen.“ Das FSJ könne man weiterempfehlen. Aus Herausforderungen gehe man gestärkt heraus, „auch weil man dabei begleitet wird.“
Aus der Sicht von Schulamtsleiter Michael Hannebacher von der Samtgemeinde war das Corona-Hauptthema das Organisatorische. Etwa die Mitarbeiter der Mensa, die ja derzeit nicht in Betrieb ist, mit anderen Aufgaben zu betrauen und die Reinigungskräfte vor dem Hintergrund der Corona-Auflagen umschichtig und zeitlich neu einzuteilen. Das verlaufe unaufgeregt, lobt Hannebacher die Mitarbeiterinnen.
„In der Zusammenarbeit mit den Schulen hat sich relativ wenig verändert“, stellt er fest. Die Kommune habe sich schnell bemüht, die über den Digitalpakt ermöglichten 50 Tablet-Computer für die Oberschule zu besorgen. Die seien stark im Einsatz.
„Es ist ein gutes Gefühl, die Schüler persönlich wiederzusehen. Das hat gefehlt“, sagen die Pädagoginnen Christina Bredehöft und Katharina Kreuzhermes. Umgekehrt habe die Schule auch den Kindern gefehlt. „Das ist deutlich zu merken“, sagen sie über ihre Fünftklässler.
Was die nun einzuhaltenden Hygiene- und Abstandsregeln betrifft, seien ältere Schüler entspannter beim Einhalten derselben. Die Jüngeren hätten eine unbändige Energie und seien teilweise kaum zu stoppen, fänden die Regeln „nicht so nett“. Aber es geschehe nicht böswillig, wenn sie die gebotenen Abstände mal nicht einhalten. „Das muss eingeübt werden.“
Festgestellt haben die Pädagoginnen: Im Lehrerzimmer herrsche gute Laune, es herrsche weniger Gewusel, und das Unterrichten mit Schülern in kleineren Lerngruppen sei viel persönlicher. Die Charaktere seien hier besser wahrzunehmen. Für manchen Schüler sei dies eine Chance. Erstaunlich sei, was bei halber Klassenstärke alles zu schaffen sei.
Auch die Lehrer profitierten. Viel gelernt habe man in Sachen Digitalisierung: „Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser springen.“ Beide bilanzieren: „Wir geben unser Bestes und versuchen dabei fröhlich zu bleiben.“